Eines der wichtigsten Meilensteine in der Geschichte der Seekriegsführung war sicherlich die Entwicklung von HMS Dreadnought (Bedeutung: Fürchte nichts).

In vielerlei Hinsicht legte das Schiff komplett neue Maßstäbe.

All big gun one caliber: alle schweren Geschütze sind von einem einzigen Kaliber. Bisher trugen die Schiffe häufig Geschütze verschiedener Kaliber, um für unterschiedliche Aufgaben das passende zu haben. Was scheinbar eine durchdachte Idee war, erwies sich jedoch in der Schlacht als problematisch. So war es schwer, die Einschläge unterschiedlicher Geschütze auseinander zu halten, um das Feuer zu korrigieren. Auch die zunehmend größer werdende Kampfdistanz führte nicht selten dazu, dass ein Schiff nur noch ein oder zwei Geschütze in einer Schlacht einsetzen konnte, da die anderen einfach nicht weit genug reichten. Auch Versorgung mit Munition war ein größeres Problem: man konnte nur eine bestimmte Menge Geschosse eines jeden Kalibers führen und wurde ein Geschütz beschädigt, war die gesamte noch dafür vorhandene Munition nutzlos.

Mit dem neuen Konzept verzichtete HMS Dreadnought komplett auf Mittelartillerie und bekam statt dessen die gewaltige Feuerkraft von 10 Geschützen mit 305mm Kaliber. Damit war das Schiff praktisch jedem Gegner um Längen überlegen.

Der Sinn der Mittelartillerie, die Abwehr attackierender kleiner Schiffe wie Zerstörer oder Torpedoboote, übernahmen kleine und leichte Schnellfeuergewehre. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigte immer mehr, dass die Gefahr durch solche Schnellboote wesentlich geringer war, als ursprünglich gedacht, so dass höhere Anzahl dieser kleinen Geschütze und Einsatz von Begleitschiffen wie Zerstörer völlig ausreichend war, um sich gegen diese zu verteidigen.

Der Turbinenantrieb anstelle der alten Dreichfachexpansion-Dampfmaschinen ermöglichte eine Geschwindigkeit von über 21 Knoten, erhöhte die Zuverlässigkeit, senkte den Brennstoffverbrauch und ermöglichte damit auch längere Einsatzzeiten.

In gerade mal 14 Monaten gebaut, machte die Dreadnought auf einen Schlag alle bisher gebauten Linienschiffe obsolet. Keines davon konnte es mit dem neuen Typ aufnehmen.

Die Dreadnought sollte gleichzeitig die Überlegenheit der Royal Navy zur See auch langfristig stärken: nur die Briten waren in der Lage, ausreichend schnell neue Schiffe dieses, auch deutlich teureren, Typs zu bauen, so die Annahme. Alle anderen wie Österreich-Ungarn, Frankreich, Deutschland, Italien wären schon aus rein finanziellen Gründen weiterhin auf ihre vorhandenen Pre-Dreadnoughts angewiesen, in die sie beträchtliche Mitteln investiert haben. Sie wären erst langsam und allmählich in der Lage, vergleichbare Schiffe zu bauen, so dass der Vorsprung der Royal Navy wachsen würde. Doch die Franzosen begannen bereits 1910, vier Jahre nach Indienststellung der HMS Dreadnought, mit dem Bau ihrer ersten Einheiten, Spanien sogar 1907, Russland 1908, Österreich-Ungarn mit der Tegethoff-Klasse 1910.

Doch in der schieren Menge konnte es keiner mit Großbritannien aufnehmen. 1909 alleine starteten die Briten den Bau von gleich acht neuen Dreadnoughts, wobei etliche Werftkapazitäten darüber hinaus noch mit Bauten für andere Länder beschäftigt waren. Die anderen Länder waren bestenfalls in der Lage, die Hälfte dieser Anzahl herzustellen und das selbst nur kurzzeitig.

Und HMS Dreadnought selbst? Oh, das Schiff hatte auch ein bewegtes Leben. 1910 besichtigte eine Gruppe abessinischer Könige das Schlachtschiff. Ein Skandal ersten Grades, denn… es waren keine! Eine Gruppe britischer Intellektueller (darunter Virginia Woolf) bemalten sich die Gesichter schwarz, verkleideten sich und veräppelten die Royal Navy (Dreadnought-Streich)

Es hört sich auch wie ein Streich der Geschichte, dass das mächtigste Schlachtschiff dieser Zeit, gebaut, um anderen Linienschiffen den Garaus zu machen, niemals wirklich in einer Schlacht gegen diese kämpfte, dafür aber… ein U-Boot versenkte. Am 18. März 1915 tauchte U-29 direkt vor Dreadnought und feuerte ein Torpedo auf Neptune. Erst dann bemerkten die Deutschen an voller Kraft ankommende Schlachtschiff. Die Dreadnought rammte mit gewaltiger Kraft das U-Boot und zerschnitt es in zwei Teile. Gerade noch wich das Schiff der HMS Temeraire (Schlachtschiff der Bellorophon-Klasse) aus welche ebenfalls das U-Boot zu rammen versuchte. Somit ist Dreadnought auch gleichzeitig das einzige Schlachtschiff, welches gezielt ein feindliches U-Boot versenkte…