Die berühmte „Bismarck“ hatte ein Schwesterschiff, die „Tirpitz“. Dieses mächtige Schlachtschiff war weitaus weniger bekannt und verbrachte den großen Teil des zweiten Weltkrieges in einem Fjord in Norwegen, wo sie von britischen Lancasters am 12. November 1944 versenkt wurde.

Zu ihrem weitgehend ruhigen und an Ereignissen armen Schicksal passt wunderbar, dass sie den Allierten den größten Schaden dann zufügte hatte, als sie… im Hafen blieb.

 

 

Ab dem Angriff der deutschen Armeen auf Russland übernahm die Sowjetunion den größten Teil der Landkämpfe. Die Schlachten waren brutal und rücksichtlos, von beiden Seiten. Der Sowjetunion fehlte es bald an allem möglichen: Benzin, Panzer, Munition. Die Allierten halfen mit, indem sie regelmässig Geleitzüge zusammenstellten, welche Kriegsmaterialen aus den USA, Großbritannien und Kanada in die arktischen Häfen Russlands transportierten, in der Regel Murmansk oder Archangielsk. Die Konvoifahrten waren unfassbar gefährlich und brutal. Deutsche Flugzeuge bombardierten sie, Wolfrudel der U-Boote standen parat, die eisige und stürmische See mit Lufttemperaturen um die 40 Grad Minus ließ sogar den Atem gefrieren.

Am 27. Juni 1942 fuhr aus dem Fjord Hvalfjordur in Island der Geleitzug PQ-17 nach Murmansk, insgesamt 36 Handelsschiffe. Eskortiert wurden sie durch die Gruppe EG1 unter Jack Broome, bestehend aus 4 Zerstörern, 10 Korvetten und zwei Flugabwehrschiffen. In größerer Entfernung fuhr die Begleitgruppe CS1 unter Konteradmiral Hamilton, bestehend aus 4 Kreuzern und 4 Zerstörern. Noch einmal in ca 320 km Entfernung befanden sich die Schlachtschiffe HMS „Duke of York“ und die USS „Washington“, nebst Begleitschiffen (2 Kreuzer, 8 Zerstörer und Träger HMS „Victorious“). Eine mächtige, eine sehr mächtige Kriegsflotte stand also parat, um den trägen Handelskähnen Deckung zu geben.

Von Anfang an hatte PQ-17 Pech. Ein Schiff erlitt einen Schaden gleich nach dem Loslaufen und musste umkehren. SS „Exford“ rammte ein Eisblock und musste ebenfalls zurück. Schon kurz nach dem Verlassen des Hafens entdeckte U-456 den Geleitzug und folgte ihm.

Am 2. Juli ging die Schlacht los. Deutsche Bomber griffen. SS „Christopher Newport“ bekommt ein Torpedo, abgeworfen von einer He-115, und wird anschließend von U-457 versenkt. Die SS „William Hooper“ geht sofort unter, als eine andere He-115 sie mit einem Torpedo trifft.

Geleitzug PQ-17

Geleitzug PQ-17

Zwei Tage später dann die Hiobsbotschaft: die „Tirpitz“ kommt! Die Deutschen geben dem gewaltigen Schlachtschiff den Befehl zum Auslaufen. „Admiral Scheer“ und „Admiral Hipper“, sowie Begleitzerstörer sollen ebenfalls loslaufen. 8 mächtige 380 mm Geschütze auf der „Tirpitz“, 6 280 mm auf der „Admiral Scheer“, nochmal 8 203 mm auf der „Admiral Hipper“! Dazu noch viele kleine Geschütze und Torpedowerfer. Alles moderne, schnelle Schlachtschiffe, bis an die Zähne bewaffnet!

Die britische Admiralität bekommt Panik. Die beiden Schlachtschiffe der Ferneskorte sind zwar ebenfalls sehr gut bewaffnet, die „Washington“ verfügt sogar über 9 Geschütze mit 406 mm, aber das Trauma der „Hood“ sitzt tief. Noch ein Schlachtschiff zu verlieren, das kommt nicht in Frage. Der Erste Lord der Admiralität, Sir Dudley Pound, schickt eine Nachricht an die Eskorte, eine Nachricht, die fassungsloses Entsetzen auslöst. Kommandant von PQ-17 muss die Nachricht mehrfach durchlesen, eher er sie begreift: Alle Schlachtschiffe und die Begleitzerstörer zurück, Handelsschiffe auseinander gehen und einzeln versuchen, nach Murmansk durchzubrechen!

Die Besatzung der Handelsschiffe starrt stumm die am Horizont verschwindenden Zerstörer und Kreuzer. Dass die mächtigen Schlachtschiffe bereits abgedreht haben, wissen die ebenfalls. Sie sind jetzt alleine, nur einige wenige kleine Kriegsschiffe sind noch da. Aber was sollen sie gegen die deutsche Übermacht ausrichten? Gegen die gewaltigen Geschütze der „Tirpitz“ und der anderen beiden Schlachtschiffe?

Am 5 Juni bricht die Hölle los. Bis Mitternacht zerstört deutsche Luftwaffe sechs Handelsschiffe, U-Boote weitere sechs. Am 6 Juni gehen SS „Pan Atlantic“ und SS „John Witherspoon“ unter, versenkt durch U-255. Am 7 und 8 Juni weitere 5 Schiffe, darunter zwei durch U-255. Am folgenden Tag herrscht Ruhe, doch einen Tag später gehen SS „Hoosier“ und SS „El Capitain“ unter, versenkt durch deutsche Luftwaffe. Am selben Tag erreichen zwei Schiffe Archangielsk, weitere 9 in Kürze Murmansk. Mehr gibt es nicht mehr.

Insgesamt verlor PQ-17 satte 25 von ursprünglich 36 Schiffen, mit einer Gesamttonnage von 142 500 BRT. 153 Seeleute starben. Die Allierten verloren 3350 Fahrzeuge, 200 Bomber, 430 Panzer und fast 100.000 Tonnen transportierter Güter.

SS El Capitain

SS El Capitain

Und wo war die „Tirpitz“? Tja, als klar wurde, die britische Aufklärer und sowjetische U-Boote den Verband sichteten, befahl das Oberkommando der Marine unverzüglich den Rückzug. Die schweren Schlachtschiffe kehrten um und standen wieder ruhig und gelassen in ihrem Fjord…

Der Kommandant von PQ-17 fasste die Situation treffend zusammen: „Tirpitz brauchte nur den Anker zu lichten und erreichte sofort etwas, was den vielen FLugzeugen und U-Booten nie gelungen ist: die Einheit des Konvois zu zerbrechen, ihre Überlebenstaktik im Seekampf“