Die „Warjag“ war ein Geschützter Kreuzer der kaiserlich russischen Marine, gebaut bei William Cramp and Sons in Philadelphia 1901. Sie war 129 Meter lang, hatte eine Verdrängung von 6500 Tonnen und eine Höchstgeschwindigkeit von 23 Knoten. Ihre Bewaffnung war zwar ordentlich, aber nicht herausragend: 12x152mm Geschütze, etliches Kleinkaliber und 6 Torpedorohre.

1904 bricht mit dem Angriff des Japanischen Kaiserreiches auf den Hafen von Port Arthur der Russisch-Japanische Krieg. Die Weltöffentlichkeit schüttelt den Kopf über die Torheit der Japaner: wie soll dieses kleine, rückschrittliche Inselvolk mit dem mächtigen russischen Imperium fertig werden? Wir greifen der Zeit etwas vor: es wurde es. 1905 endet der Krieg mit einer Niederlage Russlands.

Als in Port Arthur die Geschütze donnern, liegt die „Warjag“ zusammen mit dem Kanonenboot „Korejez“ und diversen Kriegsschiffen anderer Nationen im koreanischen Hafen Incheon, damals Tschemulpo. Kapitän Wsewold Rudnew möchte sofort nach Port Arthur aufbrechen, doch die Marineführung untersagt ihm das ausdrücklich.

Am 9. Februar 1904 taucht vor der Hafeneinfahrt plötzlich eine mächtige japanische Flotte unter Konteradmiral Uryu Sotokichi: Panzerkreuzer Asama (4x203mm, 14x152mm Geschütze), fünf kleine Kreuzer sowie acht Torpedoboote. Die Japaner fordern die Auslieferung der „Warjag“. Das Schiff soll übergeben werden und unter japanischer Fahne weiter dienen. Ein Frevel für die Seele eines jeden Seemannes: das eigene Schiff unter fremder Fahne, vielleicht noch im Kriegseinsatz gegen eigene Kameraden!

Warjag

Ein diplomatisches Tauziehen beginnt. Da die „Warjag“ inmitten neutraler Schiffe in einem neutralen Hafen liegt, kann sie von den Japanern nicht einfach angegriffen werden. Gleichzeitig drängen die koreanischen Hafenbehörden, verängstigt durch die mächtigen Kriegsschiffe draussen, die Russen zu einer Lösung. Nervenkrieg pur. Alle neutralen Schiffen gehen vorsorglich in Bereitschaft, niemand weiß, was passieren wird.

Der russische Kapitän entschließt sich, nach Beratung mit seinen Offizieren, zu einem Schritt der Verzweiflung: raus aus dem Hafen, sich der überlegenen japanischen Flotte stellen, versuchen, durchzubrechen. Die „Korejez“ sollte zwar die „Warjag“ begleiten, aber mit ihren 2×203 und 1×152 Geschützen, armseliger Panzerung und lediglich 13 Knoten Geschwindigkeit ist sie eher ein Bremsklotz als Unterstützung für das Kriegsschiff.

Um 11.20 wird der Anker gelichtet. Auf allen im Hafen liegenden Schiffen stehen die Mannschaften auf Deck und salutieren den beiden Kriegsschiffen, die in eine chancenlose Schlacht aufbrechen. 11.45 geht die Kanonade los. Schon nach kurzer Zeit ist die „Warjag“ beinahe in Stücke zerschosen, zehn ihrer 152mm Geschütze sind getroffen, sämtliche Kleingeschütze vernichtet. Durch vier schwere Treffer unter der Wasserlinie dringt Wasser in das Schiff ein. Immer wieder brechen Brände auf, die glücklicherweise die Besatzung in den Griff bekommt. Alle Aufbauten sind völlig zerstört. 31 Offiziere und Matrosen sind tot, 91 schwer verwundert. Nach einer halben Stunde Kampf dreht die „Warjag“ und die unbeschädigte „Korejez“ ab zieht sich zurück in den Hafen.

Vobei an den entsetzten Besatzungen der neutralen Schiffe schleppt sich die brennende und schwer beschädigte „Warjag“ zurück in den Hafen. Verletzte und Tote liegen an Bord. Das Schiff ähnelt mehr einem Klumpen Metall denn einem Kriegsschiff.

Asama

Zweiten Versuch wird es nicht geben. Kapitän Rudnew befiehlt die Selbstversenkung. Die „Talbot“, „Pascal“ und „Elba“ übernehmen die Besatzung. Viele der Verwundeten sind in einem solch schlechten Zustand, dass sie nicht überleben werden. Unter wehenden russischen Fahnen werden die Bodenventile geöffnet, Pumpen gestoppt. Beide Schiffe gehen unter. Die Schlacht ist zu Ende.

Interessanterweise ist das aber nicht das Ende der „Warjag. Sie wird 1905 tatsächlich von den Japanern gehoben und unter dem Namen „Soya“ als Ausbildungsschiff in den Dienst gestellt. 1916 verkaufen die Japaner das Schiff an das nun verbündete Russland wieder, die „Warjag“ wird wieder russisch. Sie befindet sich 1917 in Cammell Laird in Birkenhead zur Modernisierung, als in Russland die Oktoberrevolution ausbricht. Ihre Besatzung hießt die Rote Fahne, die britische Armee stürmt daraufhin das Schiff und holt die Fahne ein. Sie gehört nun der Royal Navy. Sie wird nach Irland geschleppt und liegt dort als Hulk. Als sie 1920 nach Deutschland zur Verschrottung überführt werden soll, läuft sie in Firth of Clyde auf Felsen und kann nicht runtergezogen werden. Als würde sich das Schiff bis zuletzt vor seinem Schicksal wehren. Dennoch, ab 1923 beginnt der Abbruch des Schiffes auf dem Felsen, die verbliebenen Reste sinken 1925 auf den Grund und liegen dort noch heute.

Ein mutiges Schiff!