Heute zeige ich Euch einen besonderen Schiffstyp, von dem wahrscheinlich die meisten von Euch nie gehört haben: Popowka.

Im Krimkrieg 1853-1856 (Russland gegen Osmanisches Reich und dessen Verbündete Frankreich, Großbritannien und Sardinien-Piemont, Verloren durch Russland…) stellte sich heraus, dass es der russischen Flotte an einem Schiffstyp mangelte, welches für flache Gewässer geeignet wäre und trotzdem über eine ordentliche Feuerkraft verfügen könnte.

Diese Erkenntnis führte unter der Führung vom Vizeadmiral Andrei Alexandrowitsch Popow zur Entwicklung eines der skurrilsten Schiffstypen, die es jemals gab. Basierend auf dem bereits in den 1860er Jahren vom Sir Edward James Reed, dem Chefkonstrukteur der Royal Navy, entwickelten Konzept wurde eine neue Klasse von Panzerschiffen entwickelt, die… rund waren.

Nowgorod 1873

Auf einer kreisrunden Plattform wurden die Aufbauten montiert sowie sowie zwei Geschütze mit 305 mm, die um 35 Grad in jede Richtung schwenken konnten. Dazu gab es noch leichte Schnellfeuergeschütze und sieben Torpedoröhre. Die Panzerstärke der Türme lag bei 23 cm, die der Kasematten selbst bei 40,5. Obwohl sie zwischen 2490 und 3550 Tonnen verdrängten, lag ihr Tiefgang bei gerade mal 4 Metern, weshalb sie auch relativ flache Gewässer befahren konnten.

Trotz insgesamt sechs Schrauben (angetrieben durch zwei Dampfmaschinen) erreichten die Popowkas gerade mal 8,5 Knoten. Dafür waren sie äußerst wendig, sie konnten sich fast an der Stelle drehen. Und drehen taten sie, auch wenn man es gar nicht wollte: sobald eines der Geschütze alleine oder nicht 100% exakt synchron mit dem anderen abgefeuert wurde, drehte sich das Schiff um die eigene Achse… Auch schwerere See machte den Kreisel: trotz insgesamt sechs Schrauben (oder gerade wegen ihrer hohen Zahl) reichten selbst geringe ungleichmäßige Wellen dazu, das Schiff eine Pirouette drehen zu lassen. Der Kapitän hatte außer bei ausgesprochen ruhiger See alle Hände voll zu tun, den Steuermann und die Maschinenleute anzuweisen, das sich willig um die eigene Achse kreisende Schiff einigermaßen gerade zu halten. So fuhren die Popowkas nur selten wirklich gerade aus, sie schlingerten vielmehr in einer Zickzack-Linie auf ihr Ziel zu.

Nowgorod von oben

Aber auch sonst erwies sich das Konzept als Fehlschlag. Beim Fahren erzeugte das Schiff eine sehr hohe Bugwelle, die teilweise das Deck überflutete, außerdem entstand dadurch sehr hoher Widerstand und damit war nur äußerst niedrige Geschwindigkeit möglich. Die große und gleichmäßige Fläche machte das Schiff anfällig gegen Geschütztreffer. Die Synchronisierung der sechs Schrauben im Zusammenhang mit der starken Eigenrotationsneigung verlangte höchste Aufmerksamkeit. Kam noch dazu der Rückstoß der Geschütze, war das Schiff nicht mehr zu halten. Dazu litten die Seeleute und die Ausrüstung sehr unter den starken Aufschlägen des flachen aber im Durchmesser großen Bodens auf Wellen.

Von den insgesamt geplanten zehn Schiffen wurden am Ende zwei fertiggestellt: Nowgorod, welches in Teilen in Sankt Petersburg gebaut, dann nach Nikolajew transportiert und dort 1874 fertig gebaut wurde, sowie Kiew (später Vizeadmiral Popow) 1875. Beide waren im Rahmen der Donauflotille im Einsatz beim Russisch-Türkischen Krieg von 1877 bis 1878, bevor sie 1892 zur reiner Küstenverteidigung degradiert und nach 1912 verschrottet wurden.

Liwadija

Trotz der eher negativen Erfahrung mit diesem Schiffstyp entschied sich das Haus Romanow dazu, die neue Staatsyacht Liwadija im gleichen Design zu bauen. Das Ergebnis war eine in Glasgow bei der Werft John Elder & Co gebaute Yacht, die eine merkwürdige Mischung der Popowkas und einer klassischen Yacht war: auf einer kreisrunden Plattform befanden sich Aufbauten wie bei einem klassischen Schiff. Die Liwadija beeindruckte zuerst einmal alle Beobachter mit ihrer ausgesprochenen Manövrierfähigkeit dank der ausgezeichneten Propellereinordnung. Aber schnell zeigten sich auch hier die Nachteile des Konzeptes, vor allem durch den flachen Boden, was zu häufigen Beschädigungen durch Wellenschlag führte. Liwadija verbrachte somit die meiste Zeit in Docks zu Reparaturen. Gerade ein einziges Mal fuhren Blaublüter mit ihr: Großfürste Konstantin und Michail fuhren mit ihr über das Schwarze Meer. Deren Erfahrung mit der Yacht war so niederschmetternd, dass das Schiff 1881 in Nikolajew festgemacht wurde und 40 Jahre fast unbewegt, nun unter dem Namen Opyt, als Hulk verbrachte. Sogar die Maschinen wurden ausgebaut… 1926 wurde das Schiff abgebrochen.