In vielen Schlachten des Zweiten Weltkrieges zeigten sich die deutschen Kriegsschiffe von ihrer besten Seite: schnell, treffsicher, gefährlich und mutig. Doch in diesem Krieg mangelte es auch nicht an Einsätzen, die nur Beschämung hervorrufen, Einsätzen, für die sogar die Bezeichnung „Kriegsverbrechen“ nicht zu weit liegt.

Eines dieser besonders umstrittenen Einsätze ist die Beschießung der Stadt Almeria durch die „Admiral Scheer“. Selbst heute noch, lange nach dem Ende des Krieges, weichen die Beschreibungen dieser Aktion sehr stark voneinander und reichen von einem „Unfall“ bis zum „einer der schlimmsten Kriegsverbrechen“ der deutschen Kriegsmarine. Was genau geschah?

Die „Admiral Scheer“ war ein mächtiges Panzerschiff, später zu einem Schweren Kreuzer umklassifiziert. Das zweite Schiff der „Deutschland“-Klasse war 186 Meter lang, verdrängte über 15.000 Tonnen und besaß 6 Geschütze Kaliber 280 mm, nebst einiges an kleinerer Artillerie und Torpedos. Auch die Geschwindigkeit von 28 Knoten ließ sich sehen. Es war ein Schiff, vor dem jeder Gegner Respekt haben sollte.

Der erste Einsatz der „Admiral Scheer“ erfolgte im Spanischen Bürgerkrieg. Vor der Küste Spaniens fuhr das Kriegsschiff insgesamt sieben Patroullienfahrten, zusammen mit dem Schwesterschiff „Deutschland“. Offiziell bestand die Aufgabe der schweren Kreuzer darin, Schiffe zu kontrollieren und auf Transport von Waffenmaterial zu überprüfen. Ein Einsatz also, der als nicht besonders spannend und aufregend zu bezeichnen ist.

Das änderte sich aber schlagartig, als am 29. Mai 1937 republikanische Flugzeuge die „Deutschland“ angegriffen haben. Eine ihrer Bomben war ein Volltreffer. Gewaltige Explosion erschütterte das Kriegsschiff, 23 Männer starben sofort, weitere acht waren so schwer verletzt, dass sie nicht mehr überlebten.

Deutschland

Die deutsche Führung, allen voran Hitler, tobten. Das kann doch nicht wahr sein! Ein paar Flugzeuge eines schwachen Gegners brechen durch das Artilleriefeuer der schwer bewaffneten deutschen Schiffe und treffen mit ihren Bomben den Stolz der deutschen Kriegsmarine, die „Deutschland“, die sogar den Namen des Landes trägt! Hitler befahl sofortige Rache! Der Gegner soll bluten!

Unverzüglich bekam die „Scheer“ den Befehl, Anker zu lichten und sich, zusammen mit ein paar begleitenden Torpedobooten auf den Weg zu machen, um den Hafen von Almeria zu beschießen.

Almeria ist eine mittelgroße Stadt im Süden von sonnigem Andalusien. Sie liegt auf dem Schwemmland des Rio Andarax in einer schönen Mittelmeerbucht. Enge Gassen, wundervolle kleine weiße Häuser, verrät die Stadt sogar durch ihren Namen ihre einst arabische Abstammung.

Im spanischen Bürgerkrieg gehörte die Stadt den Republikanern. Ihr Hafen war ein wichtiger Umschlagplatz für Ware und Kriegsmaterial, dazu lag dort auch die „Jaimie I“, ein Schlachtschiff der Espana – Klasse. Ein schön etwas älterer Dreadnought mit 8 Geschützen Kaliber 305 mm und nur etwas größer, als die „Admiral Scheer“. Sie war das Ziel der Attacke: auf Befehl Hitlers sollte das deutsche Kriegsschiff sowohl den Hafen als auch das Schlachtschiff zerstören, um Rache zu üben.

Bis dato ist die Faktenlage klar. Ab jetzt jedoch divergieren die Historiker immer mehr.

Fest steht, dass am 31. Mai 1937 ein Nebel über der Stadt herrschte. Als die „Admiral Scheer“ und die sie begleitenden vier weiteren Kriegsschiffe am frühen Morgen sich vor der Hafeneinfahrt einfanden, war auch die „Jaimie I“ nicht mehr im Hafen. Sie verließ ihn kurze Zeit früher. Nur noch die Stadt lag vor ihnen, ruhig und verschlafen, so früh am Morgen.

Laut vielen deutschen Wehrmachtsgeschichtsbüchern war der Nebel so dicht, dass er die Sicht stark behinderte. Der Ausguck konnte die Schiffe im Hafen nicht erkennen und auseinanderhalten. Auf der anderen Seite jedoch haben sich sehr viele Augenzeugenberichte erhalten von Menschen, welche die Kriegsschiffe draußen vor der Hafeneinfahrt gut erkennen konnten. Das spricht wiederum gegen zu dichten Nebel und die Deutschen sollten durchaus in der Lage sein, zu sehen, was sie bombardieren.

Admiral Scheer

Fest steht jedoch, dass „Admiral Scheer“ nicht abgewartet hatte, um sich Klarheit zu beschaffen. Ihre Geschütze begannen sofort zu feuern. Doch sie trafen nicht den Hafen, sie trafen die Stadt!

Über 200 Granaten wurden in kurzer Zeit abgefeuert und viele Häusern in Schutt und Asche gelegt. Hausfrauen, Kinder, Tagelöhner, Fischer, alte Menschen starben, in Stücke gerissen von den explodierenden Granaten. Immer wieder und wieder feuerten die Geschütze der deutschen Schlachtschiffe und verwandelten die schöne, verträumte und ruhige Stadt in ein Inferno. Mindestens 21 Menschen starben, viele weitere wurden verletzt. Einschläge trafen die beiden Hotels Espanol und Ingles, auch die Banco Espanol de Credito und eine Parfümerie wurden getroffen. Auch viele der Wohnhäuser waren zerstört. Die deutschen Geschütze waren sehr treffsicher, fast jeder davon traf die Stadt.

Die Deutschen behaupteten nachhinein, was gern von vielen Kriegsmarinehistorikern übernommen wird, dass der dichte Nebel ihre Sicht behindert hatte. Eigentlich wollten sie nur die Schiffe und Hafenanlagen treffen. Sogar Wikipedia behauptet hier zynisch „Da viele Granaten ihre Ziele verfehlten und in die Stadt einschlugen, war der Einsatz wenig erfolgreich“. Spanische und spätere allierte Quellen wiederum bestreiten dies und stellen hervor, dass der erste richtige Kriegseinsatz der „Admiral Scheer“ darin bestand, wehrlose Zivilisten, Frauen, Kinder, alte Menschen zu beschießen und zu töten. Für die nimmt diese Aktion die verbrecherischen Strafexpeditionen der Wehrmacht und der SS im Zweiten Weltkrieg vorweg.

Otto Ciliax

Hitler war jedenfalls zufrieden und verpasste Kommandant Ciliax das Spanienkreuz erster Klasse in Gold mit Schwertern.

Und Almeria? Die Stadt kam nicht zu Ruhe. Kaum aufgebaut, besetzten zwei Jahre später Francos Truppen die Stadt und veranstalteten erneut ein Massaker. Sie töten den Bürgermeister, Hunderte Republikaner, Gewerkschafter, Kommunisten.